Vorschau & Leseprobe

 

"AUSLESE - Philosophische Buntschriftstellerei"

 

 

Erhältlich ab Mitte April 2023

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl sich der Begriff „Buntschriftstellerei“ leicht anhört, sind die Essays und Geschichten in diesem Buch nicht immer nur leichte Kost. Die gibt es darin auch, doch zuallererst wollte ich ein Buch für gedanklich Fortgeschrittene schreiben. Das Buch kann Gedanken auslösen – in dieser Hinsicht birgt es eine gewisse Gefahr.

 

Die Gestalt der griechischen Muse Clio, die für die Geschichtsschreibung verantwortlich war, begleitet auch dieses Buch. Clio hatte sich schon in einem meiner früheren Bücher vorgestellt – im „Buch der gespiegelten Zeit“. Ihre Präsenz, wenn man so will, ist immer da. Clio wird als die neutrale Berichterstatterin geschildert, als Jene, die dem Geschehen einfach nur zusieht, um es später schriftlich festzuhalten. Sie nimmt nichts weg, sie fügt nichts hinzu, sie beschreibt nur und registriert. Dadurch ist sie offensichtlich im Reich des Mythos zu Hause und nicht im modernen Journalismus mit dessen Manövern.

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Das neugeborene Kind, welches in jenem Jahr 1361 zur grössten Freude seines Vaters in einem Prachtgemach der königlichen Burg zu Nürnberg seinen ersten Schrei ausstiess, war Wenzel, des starken und grossen Kaiser Karls Sohn. Als Wenzel sollte das Kind einst über die deutschen Fürsten des römischen Reiches regieren, als Václav sollte es weise die Geschicke des Tschechischen Königreiches lenken. Dies waren seine Aufgaben, dies war seine Bestimmung. Allein zu diesem Zweck war dieses Kind gezeugt worden.

Der andere Sohn, der so jung an Jahren angeblich in einem Mailänder Siechenhaus während einer Pestseuche die Seele aushauchte, hiess Giovanni. Ebenfalls Sohn eines grossen Vaters – gross an körperlicher Gestalt, gross an schönen Worten. Giovanni war der Sohn des lorbeerbekränzten Dichters Francesco Petrarca.

 

Die Schicksale der Väter hatten sich einmal berührt. Der Dichter hatte seine Worte an den Kaiser gerichtet. Mahnende Worte. Fordernde Worte. Der Kaiser hatte die Worte des Dichters freundlich aber bestimmt zurückgewiesen. Der Dichter, ein Fremder im Land des Kaisers, hatte sich tatsächlich zum kaiserlichen Berater aufschwingen wollen. Der Dichter hatte sich vorgestellt, dass der Kaiser den beschwingten Dichterworten demütig Folge leisten würde. Der Dichter fühlte sich zutiefst gekränkt, dass der Kaiser seine Dichterworte nicht demütig als das Mass aller Dinge betrachtete, und dass er sie nicht unmittelbar in Tat umsetzte.

 

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Leseprobe aus

 "Schokolade - Der Interessenkonflikt des Bon-Joseph Dacier (2023): 

 

Bon-Joseph Dacier, gelehrter Philologe und Kenner der Historie, gefeierter Experte unter Experten, einer der fähigsten Diplomaten sowohl des Ancien Régime als auch des Kaiserreichs unter Napoleon, befand sich in einem Interessenkonflikt. In einer heiklen Situation, die Fingerspitzengefühl erforderte, zumal es dabei um ihn selbst ging, um seine Reputation und seine Überzeugungen. Besser gesagt – er befand sich genau zwischen den Polen seiner Überzeugung und seiner Sympathien. Es ging um seinen Ruf als Gelehrter und Ehrenmann. Sollte er in diesem Interessenkonflikt offen Position beziehen, so waren die Folgen nicht absehbar. Dessen ungeachtet – Position beziehen würde sich in dem vorliegenden Fall nicht einmal lohnen. Es gab nichts zu gewinnen. Bon-Joseph Dacier mochte sich vielleicht eine gewisse Entscheidung bezahlen lassen, doch diesen Gedanken hatte er bereits zu Beginn weit von sich gewiesen. Ein diskreter Vorschlag in dieser Richtung war ihm von jener Person unterbreitet worden, welche Daciers gegenwärtigen Interessenkonflikt ausgelöst hatte. Dacier hatte sich gezwungen gesehen den Vorschlag energisch abzulehnen. Die Situation, die ganze Sache, war in der Tat äusserst unangenehm.

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Dacier nippte erneut an dem goldenen Weinbrand aus Cognac und dachte nach. Er hatte ebenfalls nachgedacht, als ihm der Chocolatier und frühere Apotheker Sulpice Debauve sein Anliegen unterbreitet hatte. Dacier kannte diesen Debauve nur flüchtig aus den Zusammenkünften der Freimaurer-Loge, zu deren Mitgliedern sie beide zählten. In der Loge Société Saint-Lazare nannten sie sich Brüder und diskutierten einmütig über die geistigen Ziele der Menschheit, über Wissenschaften und schöne Künste. Von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurde in der Loge nicht mehr so häufig gesprochen wie noch vor zwanzig Jahren. Die Welt hatte sich gewandelt. Es war viel geschehen in den vergangenen zwei Jahrzehnten, und selbst die Mitglieder der französischen Freimaurer-Logen schienen solcher Gesprächsthemen überdrüssig. Ausserdem hatte man gesehen, dass die Gleichheit die erste jener drei Tugenden war, die dem imperialistischen Gedankengut schnell und bereitwillig den Platz geräumt hatte. Kaum war der General Bonaparte an die Macht gekommen, schon wollte er ein Kaiser sein. Nun weilte zwar Napoleon seit etwa zwei Jahren im Exil auf der Insel St. Helena, doch die Gleichheit war nicht wieder in die Staatsgeschäfte zurückgekehrt. Im Gegenteil, die Franzosen restaurierten ihre seit einem Vierteljahrhundert mit Füssen getretene Monarchie, und mit Ludwig XVIII. sass wieder ein Bourbone auf dem Thron der französischen Könige. Wozu waren all die Kriege, die Schrecken und die langen Jahre der Angst gewesen? Wozu all das Leid, die Blutbäder und die Hinrichtungen mit jenem neuen Todesinstrument, der Erfindung des Doktors Guillotin? Was war aus dem Sehnsuchtstraum aller Reformer, Republikaner und Revolutionäre geworden? War er zu Tode gestochen, geschleift und getrampelt worden wie die Körper der Aristokraten und der Geistlichen während des Aufstandes? Oder hatte er sich während der Schreckensherrschaft, die der grossen Befreiung gefolgt war, einfach verflüchtigt? War er verhungert in jenen Jahren, in denen das Land nach Krieg und Schlechtwetterperioden unweigerlich Not, Krankheit und Armut ausgesetzt war?

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Leseprobe aus "Barockzeit - das lange 17. Jahrhundert (2022): 

 

Portugiesische Juweliere nannten unregelmässig gewachsene, schiefe, schräge Perlen – "barroco" – das Wort bedeutet  auch  "eigenartig" und sogar "ein bisschen verrückt"…

Als eigenartig, leidenschaftlich und sogar "ein bisschen verrückt"  empfand man zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Malerei und Bildhauerei, die aus Südeuropa kam. Das "Barock" bahnte sich seinen Weg aus Italien und Spanien über die gesamte Welt.

Jede Kultur drückte dem ursprünglichen Impuls ihre eigene Prägung auf, doch der Zeitgeist, welcher der neuen Strömung zugrunde lag, blieb derselbe – "barock".

Es war vor allem Frankreich, das durch den Willen eines starken, absolutistischen Königs der Welt seinen Ausdruckstil aufzwang. Louis XIV. schaffte es durch seine Vormachtstellung in Europa der Welt seinen Geschmack und die Etikette seines Versailler Hofes aufzuzwingen.

 

Stilepochen werden meist im Nachhinein mit Bezeichnungen versehen, wenn man sie als abgeschlossen betrachtet. Es sind demnach die nachfolgenden Generationen, die rückblickend Namen und Bezeichnungen festlegen. Manchmal hätten sich die Zeitgenossen jener Epochen wohl gewundert wie sie auf ihre Nachfolger wirkten…


Leseprobe aus Neuerscheinung 2022

2392 - Enthüllte Wirklichkeiten

Kapitel 2

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich meine Abreise zur Raumstation verzögern würde, doch ich darf nicht überstürzt handeln. Ich hatte mir einige Tage freigenommen um die Seele meines Bruders im Stillen zu ehren, um zu planen, und um mir einfach über die nächsten Schritte Klarheit zu verschaffen. Ich durfte mich nicht einfach davonmachen. Mir war klar geworden, dass ich mehr Einfluss auf die Dinge nehmen konnte, wenn ich auf Valor blieb. Wenn auf der Raumstation wirklich versucht worden war, den Unfall im Nachhinein anders darzustellen als in der offiziellen Version, dann war dies bereits geschehen. Wichtiger war jetzt hier zu bleiben und auf Narils Eigentum achtzugeben, mochte es noch so bescheiden sein. Eine innere Ahnung bestätigte meinen Entschluss.

 

In meinem Beruf habe ich im Laufe der Zeit einen Spürsinn für das Vorhandensein besonderer Aufzeichnungen entwickelt, und dieser Spürsinn sagte mir, dass mein Bruder Texte, Notizen, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen hinterlassen haben musste. Texte, die sich mit Reformplänen für Valor befassten. Jemand in Narils Position notiert seine Gedanken, Eindrücke, führt ein Tagebuch oder ähnliches über seine Projekte und pflegt immer wieder seine Notizen durchzusehen. Eine Art geistiger Buchhaltung kann dabei sehr wichtig sein. Dass Narils Reformpläne nicht auf bereitwillige Zustimmung der Herrscherin stossen mochten, war ebenfalls offensichtlich....

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.......Einst hatte es auf Valor mächtige Bibliotheken gegeben, sogenannte Tempel des Wissens, in denen Bände und Schriftrollen von unermesslichem Wert gehütet wurden. Viele dieser Werke waren den Autoren direkt von unseren Propheten diktiert worden. Diese kostbaren Worte wurden dann in ein ebenso kostbares äusseres Kleid gehüllt. Die Bücher wurden mit Kalligraphien und symbolhaften Bildern geschmückt und mit Umschlägen aus edlem Material versehen.

 

Jene Bibliotheken wurden von grösseren Klosteranlagen verwaltet. Jedes Kloster, das einen solchen Tempel des Wissens unterhielt, konzentrierte sich auf ein eigenes Thema, zu dem es Texte sammelte. Es gab Bibliotheken, die sich ausschliesslich der Literatur widmeten, andere beschäftigten sich mit verschiedenen Wissenschaftsrichtungen, wiederum andere mit religiösen Themen und Philosophien. Jahrhundertelang blühte diese Kultur der Schrift, bis sie mit der Besetzungszeit durch die Korvasier einen abrupten Unterbruch erfuhr. Nun versuchten die Mitarbeiter des Zentralarchivs zu retten, was noch übriggeblieben war. Die alten Schriften Valors sollten aufgebarbeitet, dokumentiert und vor allem kommentiert werden. Mit einem Teil dieser grossen Aufgabe war auch ich beschäftigt.

 

Die Korvasier wussten um das starke geistige Band der Schriftkultur, das ganz Valor zusammenhielt. Deshalb begannen sie mit der systematischen Zerstörung der Tempel des Wissens. Klöster, die Bibliotheken verwalteten, bildeten die ersten Ziele der Korvasianischen Angriffe.

 

Auch wenn unsere Bücher in grosser Gefahr gewesen waren, blieben doch wenigstens die Heiligen Energiefiguren vorerst in Sicherheit. Ihr Geheimnis wurde während der ersten zwanzig Jahre der Besetzungszeit noch gut gehütet. Danach breitete sich aber die Demoralisation unter der Valoranischen Bevölkerung mehr und mehr aus, und viele Valoraner liessen sich als Korvasianische Spitzel anwerben. Damals gerieten die Heiligen Energiefiguren, welche die Macht hatten unsere Propheten zu rufen, in Gefahr zerstört zu werden. Dass dies nicht geschah wurde allgemein als Wunder betrachtet. Unsere Propheten hatten die Instrumente ihrer Verbindung mit den Kindern Valors geschützt.

 

Viele Tausende von Jahren waren diese mystischen und mysteriösen Lichtkörper alt. Ihre Form war spindelartig, und ihre Substanz war durchaus physisch, jedoch von einer Beschaffenheit, die jeder Analyse trotzte. Energiefiguren hiessen sie, weil sie Lichtströme und Energiekraftfelder von sich gaben. Sie schienen zu schweben und um die eigene Achse zu rotieren. Sie dienten unseren Propheten als Kommunikationsmittel mit den uns. Die Heimat der Propheten, die einst Valor errichtet und bewohnbar gemacht hatten, waren Passagen durch Raum und Zeit. Sie wurden von den Terranern Wurmlöcher genannt – ein völlig unpassender Vergleich. Wir nannten sie Himmelspforten oder Himmlische Tempel. Während der Besetzungszeit hatten die Korvasier die meisten der Heiligen Energiefiguren entwendet, um ihre Technologie zu studieren. Überflüssig zu sagen, dass es ihnen nicht gelang. Die Heiligen Energiefiguren konnten jemanden, der von unseren Propheten auserwählt war, um mit ihnen zu kommunizieren, durch die Zeit tragen. Mein Bruder hatte mehrere solche Erfahrungen gemacht – eine davon zusammen mit seiner Gefährtin Merys Alani. Ein grosser Teil des Erfolges der Friedensverhandlungen mit Korvasia war, dass es gelang einige der rituellen Energiefiguren nach Valor zurück zu führen. Die Rückkehr wurde stürmisch gefeiert. Ein Teil unseres Heiligen Erbes war wieder nach Valor zurückgekehrt. Wir hatten nicht alles verloren.

 

Während der Besetzungszeit unternahmen die Vorsteher der Tempel des Wissens viele Rettungsversuche ihrer Schätze, doch viele scheiterten. Sie scheiterten besonders an immer häufiger auftretenden Kollaborateuren aus unseren eigenen Reihen, die sich von Korvasia Schonung für sich und ihre Familien erhofften.

Erst unter Herrscherin Ilaka gelang es diesem Wüten Einhalt zu gebieten, doch viele Schriftrollen und Bücherbände waren entweder unwiederbringlich verloren oder blieben verschollen...

 

 


Leseprobe aus Neuerscheinung 2019

Spätlese - Geschichten über Geschichten

 

Dieses Buch handelt von erzählten Geschichten, von Erzählungen über einst erzählte Geschichten und von Überlegungen dazu. Erzählte Geschichten, mit viel Sinn bilden die Grundnote sowohl der menschlichen Geschichte als auch dieses Bandes. Damit das sinnige Philosophieren jedoch nicht zu schwer werde, seien noch einige Spritzer erfrischenden und abrundenden Unsinns hinzugefügt.

 

In ruhigen Momenten, selbst spät nachts, wenn überall Ruhe herrscht und Gedanken sich entfalten können, entfaltet sich auch die Wirkung der Erzählungen. In den ruhigen Augenblicken, wenn die Zeit langsamer zu vergehen scheint, sind wir bereit die Wirkung der Worte aufzunehmen – wie das süffige, angenehme Aromabouquet einer sorgfältig gekelterten „Spätlese“…

 

 

 

Die Macht der Geschichten

.........Geschichten haben sich schon so sehr festgesetzt, dass sie zu starren Glaubensbekenntnissen, zu Religionen, wurden. So gesehen, war am Anfang tatsächlich das Wort.

Geschichten verfügen über ungeahnte Kräfte.

Geschichten und allerlei Erzählungen bilden die Grundlage der Kulturen. Jeder Mensch hat dabei seine eigene Geschichte. Ob sie jemals weitererzählt wird oder auch nicht – sie gehört zu seinem Bewusstsein.

In der Schule beginnt das grosse Geschichtenerzählen. Wir hören ehrfurchtsvoll, oder gelangweilt, von unzähligen antiken Griechen und Römern, die vor Bildung strotzten und in weisen Zitaten redeten. Wohlgemerkt, es sind immer nur die antiken Griechen und Römer, als hätte es keine anderen gebildeten Menschen auf der weiten Welt gegeben. Diese antiken Griechen und Römer waren alle sehr produktiv, sehr fruchtbar im Schreiben von Werken, die sie einer staunenden und ehrfürchtig das Knie vor so viel Gelahrtheit beugenden Menschheit präsentierten. Gelahrtheit – ein wunderschönes deutsches Wort, das Wissen und Weisheit vereint, und ein als gelahrt bezeichnetes Individuum in den Olymp des Geistes aufsteigen lässt. Unnachahmlich. Unerreichbar. Bei diesen Individuen handelt es sich immer um Männer in einem bereits fortgeschrittenen Alter, in lange Gewänder gehüllt, mit wallendem Haar und Rauschebart. Dort, wo das Haar nicht mehr wallt, rauscht der Bart umso mächtiger. Zumindest haben sich die Bildhauer jener Statuen und Büsten die gelahrten Herren so vorgestellt. Die Bildhauer erzählen deshalb mit ihren Skulpturen ebenfalls fantasievolle Geschichten. Es bleibt die Frage: Was taten die gelahrten Herren eigentlich, um sich eine solche Ehrerbietung nachfolgender Generationen zu verdienen? Sie erzählten Geschichten. .....

 

 

Lärm.

Man sagt, die Schweiz sei ein ruhiges Land.

 Lärm.

 

Die Bürokollegin spricht auf Italienisch ins Telefon, ihre Stimme klingt laut und sie spricht schnell. Drängend... Gegenüber versucht eine andere Mitarbeiterin, ebenfalls am Telefon, auf Englisch jemanden davon zu überzeugen, dass es wirklich notwendig und unabdingbar sei, ein gewisses Formular auszufüllen. Dringend… Draussen auf dem Gang und in verschiedenen Schattierungen der deutschen Sprache, diskutieren Mitarbeiter eine Situation, die vielleicht eher in den privaten Bereich gehört. Sie müssen das aber auf dem Gang erledigen, denn in der Kaffeeküche klappert der Kaffeemaschinentechniker gerade mit seinem Werkzeug bei der wöchentlichen Wartung des wichtigsten aller Bürogeräte. Ich schliesse das Fenster, denn draussen macht sich jemand daran, mit einem Laubbläser die Strasse vor dem Gebäude zu säubern. Ausserdem läuten die Glocken der Quartierkirche, denn es ist elf Uhr vormittags und ein langer Güterzug rattert über das nahe Eisenbahntrassee. Ich versuche bei dem allgemein erhöhten Lärmpegel dem Lehrling etwas zu erklären und habe Mühe mich dabei zu konzentrieren. Der Lehrling gibt sich viel Mühe, zu verstehen. Vom nahen Schulhaus her ertönt der Pausengong.

 

Lärm.

Zu Hause angekommen schallt mir fröhliches Siegergejohle vom nahen Fussballplatz entgegen, und aus dem Lautsprecher dröhnen Ansagen der Resultate. Auch wenn ich sie verstehen würde, sie interessieren mich nicht. In meinen Ohren sind sie nutzloser Lärm am Ende eines lauten Arbeitstages. Es geht gegen acht Uhr abends im Wonnemonat Mai. Ein Bauer hat seine Hangwiese abgemäht und anstatt das Heu mit einem Rechen zusammenzutragen hat er einen Laubbläser auf dem Rücken geschnallt und bläst mit hochtourigem Motorengebrüll die Grashalme vor sich her. Mich beschleicht der Eindruck, dass es früher mit dem Rechen schneller ging. Sicher war es leiser. Ausserdem – wo bleibt hier der vielbeschworene Umweltgedanke und der Tierschutz, wenn die Bauern mit benzinbetriebenen Lärmgeräten stundenlang Abgase in die Luft pusten, und wenn sich dabei sowohl Schwermetalle als auch Feinstaub schön regelmässig über die ganze Weide verteilen?

 

Lärm.

 

Es ist acht Uhr abends. Ich bin zu Hause angekommen. Acht Uhr abends ist an sich eine schöne Zeit, denn da sitzen die Hunde mit ihren Besitzern vor den Fernsehern und bellen nicht draussen herum, und die Kinder haben ihr Geschrei von draussen in die Häuser und Wohnungen verlagert. Das Geschrei bleibt in der Lautstärke gleich, es ändert sich nur der Grund zum Schreien. Als hätten nun die Kühe auf der Weide begriffen, dass sich ihre Lärmkonkurrenz zurückgezogen hat und sie nun an der Reihe sind, beginnen sie nach einer Ruhepause wieder Gras zu zupfen, was bei jeder Bewegung ihre Glocken hell erschallen lässt. 

 

Lärm.....

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Leseprobe aus Neuerscheinung 2019


Leseproben aus den Neuerscheinungen 2017

 

Marcelas stille Integration - Frauen mittendrin Teil II

Neubarbeitung 2019 - verlangen Sie im Buchhandel die neue Ausgabe

Link zum Buch hier und hier

 

Ein Buch mit "Migrationshintergrund"

Integration und Migration sind ein aktuelle Themen. Doch wer erinnert sich schon an eine Integration, die still und unspektakulär 1968 vonstatten ging, als sich Zehntausende tschechischer, politischer Flüchtlinge über die ganze Welt verstreuten?

Auf den damaligen Tatsachen basiert die Geschichte der fiktiven Heldin dieser Erzählung. Marcela kommt mit neun Jahren in die Schweiz, in eine fremde Umgebung, mit fremder Sprache und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten.

Im Laufe der Jahre überwindet Marcela einige "Mittendrinkrisen" und findet zu neuem Selbstbewusstsein.

 

Leseproben:

 

Je mehr sich zwei Kulturen gleichen, umso unverständlicher werden manchmal die Handlungen einer „integrierten“ Einzelperson, denn man vergisst, dass hier immer noch zwei Kulturen in einem Individuum wirken. Die Geschichten, die sich daraus ergeben, sind zuweilen vergnüglich. Kleine Peinlichkeiten des Alltags, kleine Patzer und Fettnäpfchen, in die der eine oder andere tritt. Die weniger vergnüglichen Szenen zeigen dann auf, dass es eine vollständige Integration in kurzer Zeit nicht geben kann…. und dass sich Entwicklung nicht beschleunigen lässt.

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Der besagte RA lic. iur Werner Leimbacher ....... fühlte, dass es seinem Image gut tat, wenn er eine fähige Assistentin für sich arbeiten liess. Die Märwiler war nicht übel. Intelligent, mehrsprachig und fleissig genug, um die Arbeit im Griff zu haben, anderseits aber auch ausreichend fügsam, eingeschüchtert, und in ständiger Sorge um den Erhalt ihrer Stelle. Dies machte sie zu einem willigen Instrument, um die langweilige Administration zu erledigen und dabei nicht aufmüpfig zu werden. Die Hitz musste weg. Erstens war er kein Pestalozzi, der in Not geratene Mitbürger durchfütterte, und zweitens war die Frau seinem Bild als erfolgreicher, dynamischer Anwalt nicht zuträglich. Sie musste einfach weg. Das Image war ein wichtiges Kapital, und er konnte es sich nicht leisten sein öffentliches Persönlichkeitsbild von einer schniefenden und allmählich vertrocknenden Arbeitskraft untergraben zu lassen.

Wenn man mit Werner Leimbacher nur oberflächlich zu tun hatte, so konnte er überaus charmant und umgänglich wirken. Sogar fürsorglich und aufmerksam. Doch waren es nicht diese positiven Seiten seines Wesens, die ihn dazu gebracht hatten Recht zu studieren und Anwalt zu werden. Leimbacher wollte mehr, hatte immer mehr gewollt. Er war nicht Anwalt geworden, um mittellosen, in Not geratenen Individuen zum Recht zu verhelfen. Dafür gab es Leute wie Sutter. Leimbacher wollte sich nicht vor aller Welt beweisen. Es war ihm egal, wenn Lokaljournalisten ihn in ihren gehässigen Artikeln als „umtriebig“ und „schillernd“ beschrieben. Gut oder schlecht – die Presse war Werbung für ihn. Es war egal, solange er Geld und Macht hatte – und er war davon überzeugt schlau genug zu sein, um sich Macht und Geld sein Leben lang zu erhalten.

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In jenem Frühjahr 2009 erhielten alle Chormitglieder eine Einladung zu einem Konzert. Das wäre an sich nichts Aussergewöhnliches gewesen, hätte es sich dabei nicht um eine Einladung von Annina Ehrsam gehandelt und wäre das Konzert nicht eine Aufführung zeitgenössischer klassischer Musik gewesen, ergänzt durch Texte russischer Dichter über beide Weltkriege. Das Programm versprach ausserordentlich deprimierend zu werden.

Dem Anlass entsprechend hatte man auch die Lokalität für die Aufführung gewählt: Eine ehemalige Fabrikhalle im geschichtsträchtigen Winterthurer “Sulzer-Areal“, wo früher Turbinen, Lokomotiven und schwere Maschinen hergestellt wurden – einstiger Stolz der Schweizer Industrie und Exportwirtschaft. Ein Ort, den man ganz natürlich mit Gewerkschaften, Arbeiterklasse und sozialistischen Idealen in Verbindung brachte. „Büezer“ nannte man die Arbeiter, die täglich die Fabrikhallen füllten Die „Büez“ bedeutete Arbeit. Arbeit, die ganzem Körpereinsatz erforderte. Das Verb „büezen“ bedeutete ursprünglich „nähen“, „flicken“, allerlei mühsame Kleinarbeit und Ausbessern von alten Sachen. ....

Von den früheren Flickschneidern und den Flickschustern übernahmen die Fabrikarbeiter jene zu Beginn unschmeichelhafte Bezeichnung. Mit der Zeit wurde der Begriff zum sozialistisch-romantisch verbrämten Qualitätszeichen: Ein „Büezer“, das war ein muskelbepackter Kerl, der seinen schweissglänzendem Oberkörper zur Schau stellte, und mit ehrlich naiver Gesinnungsart hart das tägliche Brot für seine Familie erschuftete. Der „Büezer-Stolz“ war erwacht.

Man hatte (beim Konzert) wohlweislich auf eine Pause verzichtet – es hätten Zuschauer verschwinden können. Das tun Zuschauer während einer Pause gern – oder knapp danach. Meistens entschuldigen sie sich dann mit dem öffentlichen Verkehr – mit einem Bus oder Zug der „unbedingt“ erwischt werden will, als hätte man keine Möglichkeit mehr nach halb neun Uhr abends (aus der Stadt) in eine der umliegenden Gemeinden zurückzukehren. Dem Argument: „Ich muss auf den Zug“, ist nichts entgegen zu setzen. Dabei ist diese Schweizer Sprachvariante noch sehr drollig – man sieht die Leue förmlich rittlings „auf“ dem Zug sitzen, auf den sie so sehr „mussten“... Mit dem alles planierenden Satz: „Der Zug wartet nicht“, stehen Zuschauer rücksichtslos eine Viertelstunde vor Schluss eines Anlasses von ihren Sitzen auf und streben durch vollbesetzte Reihen dem Ausgang zu, während sich auf der Bühne gerade die packendste Szene eines Dramas, die rührendste Arie einer Oper oder der spannendste Moment einer Varietévorstellung abspielt.

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Gegen Ende Mai jenes Jahres verlor auch Werner Leimbacher für kurze Zeit seine gute Laune, als Telefonate eines aufgeregten Anrufers sein Büro erreichten. Marcela hatte die Anrufe entgegen genommen. In der Kanzlei wurden Anrufe auf Direktwahlen nur selten von den Anwälten selbst beantwortet – man liess sich immer die Gelegenheit offen, ein Gespräch nicht annehmen zu müssen. Fast gleichzeitig mit jenem aufwühlenden Telefonat brachten Zeitungen und online-Medien auf ihren Frontseiten Berichte über einen Skandal im Zürcher Kantonsrat. Der Skandal drehte sich um einen einzigen Mann: Den Finanzmann, Politiker und Kantonsrat, Manfred Schönbächler.

Marcela erschrak zuerst, dann zählte sie zwei und zwei zusammen und hütete sie sich auch nur einen Mucks zu tun. Wollte Leimbacher den Anruf annehmen? Nein? In Ordnung. In solchen Fällen drückte Marcela mit professioneller Stimme Ihr Bedauern aus und erklärte überzeugend, dass Herr Leimbacher zurzeit nicht anwesend sei, und dass sie ihm gerne eine Nachricht notieren würde. Solche Dinge sagte sie oft am Telefon, und allmählich verschwand auch ihre Scham darüber und der Ärger, im Auftrag des Chefs lügen zu müssen. Mit der Zeit hatte sie gelernt, dass dies zu ihrem Job gehörte, und dass sie dafür am Ende des Monats ihr Salär erhielt. Keine schöne Vorstellung, zugegeben. Die meisten Menschen wollen nicht vorsätzlich lügen, und schon gar nicht auf Befehl. Sie würden auch kaum einen anderen Menschen, der aus offensichtlicher Notlage heraus um Hilfe fleht, anlügen oder anschwindeln. Normalerweise tun das Menschen nicht. Durchschnittliche Menschen, denen schon im Kindergarten beigebracht wurde, das Lügen nicht statthaft sei. Marcela hatte diese Grundsätze immer sehr hochgehalten. Doch anstelle hehrer Verhaltensgrundsätze hielt sie jetzt nur einen Telefonhörer hoch, meldete sich mit dem Kanzleinamen, und sagte dann: „Guten Tag, Herr Schönbächler, was kann ich für Sie tun?“ – um gleich zu Leimbacher zu blicken, der neben ihr stand und energisch abwinkte.

„Es tut mir leid, Herr Schönbächler, aber Herr Leimbacher ist momentan abwesend.“

Es gehörte zu den Spielregeln, den Namen des Anrufenden zu wiederholen, wenn Leimbacher im Büro war und mithörte, denn so konnte er seiner Assistentin signalisieren, wenn er gewillt war den Anruf anzunehmen, oder wenn er sich lieber verleugnen liess. Zu Beginn hasste sich Marcela für diese Schwindelei – mit der Zeit merkte sie, dass die Verantwortung dafür nicht bei ihr lag. Die Regeln waren klar. Alle anderen machten es ebenso. Sie würde sich einen anderen Job suchen müssen, wenn sie solche Dinge belasteten.

„Nein, ich weiss leider nicht, wann Herr Leimbacher zurückkehrt, er hat einem externen Termin“, sagte Marcela weiter ins Telefon. Der „externe Termin“ – das endgültige Killerkriterium. Nicht verwandelbar. Natürlich hatten alle Anwälte „externe Termine“ wahrzunehmen, und dass dies einmal länger als vorgesehen dauern konnte, war auch offensichtlich. Gegen einen „externen Termin“ hatte man auf jeden Fall verloren.

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In Arbeit

Die Handschrift - Das Zeitalter des Eisvogels

Die Handschrift - Das Zeitalter des Drachen

 

Prag und Konstanz an der Wende des 14. zum 15. Jahrhunderts

 

Geheimnisvolle Männer suchen nach wertvollen Büchern - zumindest geben sie es vor.

Was verbindet die Symbole in der Wenzelsbibel, und  was verbindet den Konstanzer Ulrich Richental mit dem König Sigismund und polnischen Bischöfen?

Wer möchte verhindern, dass andere Bücher Verbreitung findet?

Wer kann überhaupt mit Sicherheit sagen, was in all dem Büchern wirklich geschrieben steht... und warum musste der Bischof von Salisbury in Konstanz sterben? 

Warum errichtete König Wenzel seinen Orden des Eisvogels und des Liebesknotens - und was steht hinter dem Drachenorden von Wenzels Bruder Sigismund?

 

Die Welt der Prager Hochgotik entsteht in farbigen Schilderungen. Kaiser Karl IV. und seine beiden Söhne, die Luxemburger-Dynastie, welche über hundert Jahre lang das Schicksal Europas bestimmte.

 

Das Konstanzer Konzil, die Machenschaften der europäischen Fürsten, die Konsolidierung der römischen Kirche und die politischen Verflechtungen, zu deren bekannten Opfern die beiden Prager Universitätsgelehrten, Jan Hus und Hieronymus von Prag, gehören.

 

Christliche Mystik und uralte vorchristliche Geistesströmungen führen ein Eigenleben unbeachtet von gelehrten Theologen und Kirchenherren. Vor allem wird der Gegensatz der slawischen Kulturen zu den Lebensanschauungen des europäischen Westen sichtbar gemacht.

 

Zu Konstanz gehört aber auch das Leben der Bürger,  ihrer Frauen und Familien.

 

Vom Prager Hof und der Universität, über die Stuben der Konstanzer Bürger und die kalten Versammlungsräume der Konzilsherren, erstreckt sich der Handlungsrahmen des Buches bis in die Privatgemächer der Königinnen Sophie und Barbara, und umfasst die Zeit von zwei Generationen mit ihren Vorgeschichten.

 

...und eine ganz besondere Gruppe, die ihr eigenes Süppchen kocht und fast unbeachtet von allen anderen den Status für ein neues Zeitalter setzt: Die Humanisten......

 

Schriften und Schreiber, Macht und Magie, Geld und Gewissen, Integrität und Illusion, Hoffnung und Heuchelei, Fälschungen und versteckte Botschaften, und ganz viele Bücher - dies sind die Themen.

 


In Arbeit

Maria Mancini - Die Freiheit der Fürstin Colonna

 

Eine Romanbiographie aus dem 17. Jahrhundert vor barocker Kulisse eines Gesamtwerks aus Wort, Bild, Musik und Tanz. Das Leben der "Marie" Mancini, einer Nichte des mächtigen Kardinals Jules Mazarin, in einer Welt der Drei Musketiere, der Hofintrigen, der rauschenden Feste und der kargen Klöster.

 

Aus der jungen "Marie" Mancini des französischen Königshofes wird die bedeutende Fürstin Colonna in Rom. Eine aussergewöhnliche Frau in einem bewegten Jahrhundert. 

1672 flieht die selbstbewusste, gebildete und temperamentvolle Marie, "Madame la Connétable Colonna", mit Hilfe ihrer Schwester Hortense aus Rom vor ihrem rachsüchtigen Ehemann. Sie möchte sich in Frankreich niederlassen, was dem privaten Interessen des Königs Louis XIV. zwar entgegenkommt, doch den politischen Interessen widerspricht. Auch Marias beide Schwestern, Olympe Gräfin Soissons und Marianne Herzogin von Bouillon befürchten, dass ihre Stellungen bei Hof gefährdet sein könnten durch die Eskapaden von Marie und der vierten Schwester, Hortense.

Für Maria, Fürstin Colonna, beginnt eine Odyssee durch Frankreich, Spanien und Italien, die erst beendet sein wird als sie 74-jährig verstirbt.

Über Maria Mancini sind ganze Reihen von historischen Sachbüchern geschrieben worden und auch einige Romane, die vor allem ihre Jugend und ihre Liebe zu Louis XIV. beschreiben.

Am Gerechtesten werden dieser interessanten Frau die französische Historikerin Claude Dulong und das Schriftstellerpaar Rita Monaldi & Francesco Sorti. Alle drei Autoren haben neues Schriftmaterial in Archiven entdeckt und während der letzten ca. 10 Jahre veröffentlicht.

 

Leseprobe:

Kardinal Mazarin erinnert sich - Anno Domini 1659

Macht und Genuss. In den Augen des Kardinals ist Macht der höchste Genuss. Allerdings lässt sich dieser Genuss sogar noch steigern. Der Kardinal hat Macht über den Genuss anderer. Geniessen wollen sie alle. Sogar die Puritaner geniessen ihre Negation des Genusses, warum wohl würden sie sonst so ein Geschrei darum machen, denkt der Kardinal. Entsagen allem Irdischen! Welch ein Frevel an der Schöpfung Gottes! Gott in seiner Allmacht schuf die Schönheit, damit der Mensch sich daran erfreue. Schönheit wirkt erhebend und gewinnbringend zugleich. Schönheit spricht zu den Sinnen und Sinne lassen sich lenken. Keineswegs verleugnen, nein, das wäre Verschwendung, und Verschwendung lässt den Kardinal die Stirn runzeln, lässt ihn gar frösteln. Doch alles auf dieser Welt kann man lenken, führen, leiten, weisen. Dies ist der Genuss der Genüsse, den selbst der Allmächtige beim Erschaffen des Universums gefühlt haben musste!

Schatten. Wer würde denn von Gotteslästerung sprechen? Ist Mazarin nicht der ranghöchste Kirchenfürst in Frankreich? Gibt es im Augenblick überhaupt einen mächtigeren Kirchenmann als ihn in Europa ausgenommen den Papst selbst? Ist dieser widerspenstige, von seinen Gefühlen gehetzte junge Mann, der sich König von Frankreich nennt, erst einmal in seine Bahnen gewiesen, dann...... Der Kardinal wagt den Gedanken kaum zu beenden. Die Figuren auf dem europäischen Schachbrett gehorchen einem einzigen, Mazarins, Willen. Die höchste Figur des Spiels ist der König, doch auch er ist nur eine Figur. Ein Spielstein, bewegt durch die Hand der geistigen Macht! Sollte etwa nicht der fähigste Kirchenfürst das höchste kirchliche Amt bekleiden? Wessen Hand führt den Schachkönig? Wessen Geist ist die lenkende Macht hinter allen Schachfiguren? Louis wird ein Einsehen haben, Louis ist sein Schuldner, ist ihm verpflichtet. Doch Louis zeigt neuerdings gewisse Anzeichen eines schwachen Widerstandes. Louis ist zu selbstbewusst geworden, trägt die Nase hoch, obwohl man endlich die Quelle all dieser undankbaren und unvernünftigen Selbstständigkeit ruhig gestellt hatte. Ausgerechnet eine seiner Schachfiguren neigte zur Rebellion. Ein Springer, ein Pferdchen aus seinem eigenen Gestüt, die eigene Nichte, welche sich für die Schachkönigin hielt. Anderseits hat diese Marie auch alle guten Qualitäten eines Springers. Für den Gegner nicht immer berechenbar, jedoch äusserst schnell und geschickt einsetzbar in der eigenen Hand. Doch Marie entpuppte sich nicht als das gehorsam dressierte Pferd, das beim festlichen Caroussel brav seine einstudierten Runden zur Musik tanzt, seine Kapriolen und Arabesken vorzeigt............

 


In Arbeit

Capitor - Die Malerin des Bastarden

 

Historischer Roman aus dem 17. Jahrhundert.

Realität und Fiktion. Neapel und das Mysterium der Tarantelbisse. Spanien und seine schwindende Weltmacht. Das aufstrebende Frankreich und dessen Kämpfe um die Macht. Das "Chiaro-Scuro" barocker Malerei und barocker Denkweise. Das harte Leben spanischer Soldaten in Flandern und die Geheimnisse des Fronde-Aufstandes in Paris.

Inmitten dieser Einflüsse steht die eigenartige Beziehung zwischen einer Malerin und einem "Sohn von Spanien".

Ein barockes Vexierspiel um Rollen und das Aufbrechen verkrusteter Traditionen.

Berührungspunkte mit dem Roman: "Maria Mancini - Fürstin Colonna."

 

Rosa, die Nichte des Malers Giuseppe Ribera, lebt im grossen Haushalt ihres Onkels in Neapel nachdem ihre Mutter früh verstorben war. Die heranwachsende Rosa beweist Talent für Malerei. Als sie einmal ein Bild des Onkels sieht, auf welchen zwei fechtende Frauen dargestellt sind, will Rosa auch Fechtstunden nehmen und lässt nicht locker bis sie die Erlaubnis erhält.

 

Mehre aufeinanderfolgende Ereignisse greifen jedoch bald in Rosas Leben ein: Der Tod des Vaters, ein Tarantelbiss, dem Fieber und Schwemut folgen, die Heilung durch den jungen deutschen Jesuiten Athanasius Kircher, der Neapel besucht, um den Berg Vesuv und die vulkanische Tätigkeit zu erforschen und schliesslich der Aufstand der Neapolitaner gegen die spanische Besatzungsmacht.

Der spanische König entsendet seinen unehelichen Sohn, den neunzehnjährigen Don Juan-José de Austria nach Neapel. Juan-José, "der Bastard", beendet den Aufstand erfolgreich. Einige Monate weilt er in Neapel bis ein neu ernannter Vize-König die Regierung der spanischen Provinzen in Süditalien übernimmt. Während dieser Zeit lernt Juan-José Rosa kennen , als er Malunterricht bei ihrem Onkel Ribera nimmt.

Den glücklichen Monaten folgt Juan-Josés Abreise.  Rosa, die ein Kind von ihm erwartet wird ausserhalb Neapels gebracht. Kurz nach der Geburt des Kindes flieht sie, um nach Sizilien zu gelangen und dort mit Juan-José zusammen zu treffen.

Von da an lebt Rosa in verschiedenen Verkleidungen, vornehmlich als Mann. Sie entdeckt, wie schnell sich Menschen durch äussere Wahrnehmung täuschen lassen. Rosa entdeckt ein Talent zur Kundschafterin. Sie stellt diese Gabe in den Dienst ihres Geliebten, den sie von da an nie mehr  verlassen wir - bis zu ihrem Tod.

Als "La Pittora", die Malerin, ist sie unter den italienischen Soldaten in Juan-Josés Armee bekannt, die Spanier nennen sie hinter vorgehaltenen Hand "La loca pintora", die verrückte Malerin. Rosa dient als Spionin und überbringt Nachrichten zwischen Juan-José und dem aufständischen französischen Fürsten von Condé, der massgeblich an der Pariser Fronde gegen Kardinal Mazarin beteiligt ist.

 

In mehreren zeitgenössischen französischen Memoiren aus dem 17. Jahrhundert findet man vereinzelt die Erwähnung von "La Pitorre" - einmal sogar, als für sie ein perlgraues Frauenkleid mit blauen Schleifen angefertigt werden soll. Aus "La Pitorre" wird "Capitor", die 1659 im Rahmen einer Hofintrige, der jungen Nichte des Kardinals Mazarin, Marie Mancini, das Leben schwer machen soll. Der Grund ist: Marie muss weg. Der französische König, der junge Louis XIV. liebt Marie  innig und möchte sie zur Königin machen. Wegen dieser Liebe droht nun das langjährige politische Konstrukt und das lebensdwerk von Kardinal Mazarin  zu scheitern - der Friede zwischen Spanien und Frankreich.

 

"Capitor" hat die Aufgabe die junge Marie mit Lobreden auf die spanische Infantin zu belästigen, welche für Louis CIV. als Braut vorgesehen ist. Die Intrige ist von Maries Onkel Mazarin zusammen mit spanischen Botschaftern inszeniert worden und wird stillschweigend von der Königin-Regentin von Frankreich, Anna von Österreich, gebilligt, die eine Halbschwester von Don Juan-José, Rosas Geliebten, ist.

 

Die Handlung spielt zwischen Neapel, Bordeaux, Flandern und Paris, und man trifft auf allseits bekannte Akteure wie die tatsächlichen "Drei Musketiere", Louis XIV., Kardinal Mazarin und viele weitere Personen aus meiner Romanbiographie "Maria Mancini - Die Freiheit der Fürstin Colonna".